"Chris' silberne Glocke"

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Mittwoch, 15. Juni 2011, 18:20

 

"Chris' silberne Glocke"

 

Die silberne Glocke war nichts Besonderes, aber ihr Klang war wunderschön.

Ich hatte mich immer gefragt, zu welchem Heim solch eine Glocke gehörte.

Sie gehörte einer alten Frau, die allein in einer großen Villa lebte, die ich noch nie gesehen hatte.

"*Madam, das Abendessen ist fertig."
"Vielen Dank, Liebes."
"*Madam, die Lilien im Garten blühen. Ich werde sie in eine Vase stellen."
"Was für ein herrlicher Duft."
"*Madam, es hat angefangen zu regnen. Darf ich die Fenster schließen?"
"Ja, und zieh die Vorhänge zu."

Die alte Frau wurde auf Schritt und Tritt bedient. Sie war abhängig von ihren Dienern, saß müßig in ihrem Stuhl und hörte Musik. Sie ließ sich sogar die Platten von ihnen wechseln, aber die meisten Mägde schienen ihre Herrin zu bewundern.

Doch gab es eine Sache, die die alte Dame mehrmals täglich ansprach.
"Verzeihung, aber könnt ihr Chris zu mir rufen?"

Am selben Tag etwas später ...
"Wo ist Chris hingegangen?"

Und noch später ...
"Bitte, sucht Chris für mich."

Obwohl sie ihr normalerweise jeden Wunsch erfüllten, zögerten sie hier.
"Madam. Chris ist schon ...",
würden die Mägde vorsichtig beginnen. 'Ach ja, richtig', würde die alte Dame sie unterbrechen.
"Sie ist nicht mehr bei uns, richtig? ... Das hatte ich fast vergessen..."
Nickend würde sie etwas murmeln, aber keine Stunde später würde sie dieselben Fragen stellen. Die alte Dame bat sie, ihre Lieblingsplatte anzuhalten.
"Wo könnte meine liebe Chris wohl sein?"

In einer verregneten Nacht herrschte große Aufregung im Haus.
"*Madam?"
"*Madam!"
Die Diener rannten aufgebracht durch die Hallen.

Plötzlich rief eine Magd in ihrer Verzweiflung laut.
"*Warum kann ich ihren Stock nicht finden?!"

 

Obwohl es draußen nicht kalt war, strömte der Regen unablässlich zu Boden.
"*Sie wird doch wohl nicht rausgegangen sein, oder?!"
Den Mägden lief es kalt den Rücken hinunter. Sie zogen sich Mäntel an und riefen draußen nach ihr. Ich wendete meinen Blick ab und ging durch den Regen in die Stadt. Obwohl es aus Strömen goss, konnte ich den süßen Durft der Lilien riechen. Auf einem kleinen Pfad in einem Park, weit entfernt von der Villa, erkannte ich die Gestalt der alten Dame.

Sie war von einer Menschenmenge umgeben.
"*Kommen Sie, meine Dame, sie holen sich noch den Tod hier draußen.

Vielleicht sollten sie zur Polizei gehen."

Die Schuhe der alten Dame und ihre elegante Kleidung waren triefnass. Ein Mann versuchte ihre Hand zu nehmen, doch mit eisener Miene wies sie ihn ab. Dem Mann wurde das zu viel und er ließ sie, wo sie war. Vorsichtig trat ich in ihr Blickfeld und ohne ein Wort zu sagen, klingelte ich mit der silbernen Glocke. Der Klang durchdrang den Regen. Die alte Frau hob überrascht den Kopf und ihre trüben Augen sahen mich an.
"Chris...?"
Zur Bestätigung klingelte ich erneut mit der Glocke und drehte mich weg.
"Chris, warte! Warte auf mich!"
Ich hörte ihren Stock hinter mir. Sicher bin ich nicht in der Lage, sie den ganzen Weg zum Haus zu bringen, aber wenigstens bis zu ihren Dienern. Ich hielt oft an und schaute über meine Schulter, ob sie noch da war. Der Klang dieser hübschen Glocke war wie ein Strahl..

Endlich entdeckte einer der Mägde sie und rief: "Madam!"
Sie rannte auf sie zu, aber die alte Dame bückte sich herunter und nahm mich zitternd hoch.  Die Diener konnten ihre Überraschung nicht verbergen, als sie sahen, wie sehr sich Chris verändert hatte. Niemand sagte, dass ich nicht Chris bin.

Und weil die alte Frau mich so nannte, nickten die Mägde zustimmend.

Sie waren froh, das ihre Herrin sicher zurückgekommen war.

Ich bin Chris. Chris mit der silbernen Glocke.
Ich bin die kleine reizende Chris, von ihrer Großmutter über alles geliebt.

 

(Fortsetzung folgt...)


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