"Maria's rosa Glocke"

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Sonntag, 19. Juni 2011, 16:30

 

"Maria's rosa Glocke"

 

  Ich habe so viel gewonnen.
Liebende Hände und viele neue Namen.
Montags Anri.
Dienstags Fleur.
Mittwochs Silvie.
Donnerstags Lotte.
Freitags Bisque.
Samstags Chris.
Und nur an einem Tag werde ich ich selbst sein.

Es hätte Rache sein sollen. Rache an den verstorbenen Mädchen, die ein besseres Leben hatten als ich. Nachdem die Vergeltung getan war, ist nur noch eins übrig..
Ich - eine Lüge.
Zuerst fragte ich mich, was die Zukunft bringt. Wann? Sag mir wann? Wann werde ich mich verlieben? Wenn ich jemanden gefunden habe, der mich liebt, erhalte ich endlich einen eigenen Namen und nicht den, von jemand anders. So beschloss ich es..

Und dann? Warum musste ich ihn treffen?
Er wohnte auf einer Klippe von der man über die Stadt sah. Seine Gesichtszüge waren markant und seine Haltung majestätisch. Aber das war es nicht, was mich wie angewurzelt stehen ließ. Ich brauchte keinen wirklichen Grund.. Weil es ihm egal war, welche Glocke ich trug. Nichts würde die Tatsache ändern, dass ich Nichts war..

Eine Glocke mit zwei rosa Streifen lag z u seinen Füßen. Sie gehörte nicht ihm. Die Glocke war, genau wie seine Liebe, weggeworfen worden. Verzweiflung war ihm nicht unbekannt. Man konnte die Öde des Todes in seinen Augen sehen. Egal, ob ich ihn anstarrte oder ansprach, er schaute mich nicht einmal an.

Ich hob die rosarote Glocke auf. Ihr lieblicher Klang sollte in seine Ohren dringen und sein Herz berühren, ihm die Augen öffnen! Dann würde er mit rauer Stimme völlig überwältigt sprechen. Er würde den Namen seiner alten Liebe rufen..
"Maria?"
Und ich werde vor Gefühlen vergehen und lächelnd sagen
"**Ist schon gut, ich bin deine Maria.."
Und dann wird es in dieser Welt kein echtes 'ich' mehr geben..

...

"Sag mir deinen richtigen Namen."
Ich kichere leise und sage es noch einmal.
Ich bin Maria.
Er wird die Stirn runzeln und sich anschmiegen.
"Das ist nicht dein richtiger Name. Das kann nicht sein.."
Aber es ist der Name deiner Liebe, richtig?
Ich liebe dich.
Aber die eine, die du liebst, war ich nie.
Du hast die wahre Besitzerin dieser rosa Glocke geliebt.

Stell dir vor, ein Rivale, dem selbst der Tod nichts anhaben konnte.

Die eine Frau, die er wirklich liebte.
Ich hasste sie, verfluchte sie und stahl ihre Identiät.
Und egal, wie schlecht ich mich fühle, ich tue es.

"Wenn wir uns nicht getroffen hätten, wäre ich sicherlich auf der Stelle verrottet!"
Das sind die einzigen Worte, die mir Erlösung bringen.

Solange du nur glücklich bist, brauche ich keine doofen Namen.

Ein Sturm braute sich zusammen.  Der Wind, der seit dem Morgen gegen die Fenster drückte, hatten dunkle Wolken zusammengetrieben und die Bäume geschunden. Ich sprang unter der sicheren Decke der alten Frau hervor, rannte durch die Stadt und in Richtung der Berghütte, zu meinem alten Versteck! Dort würde ich eine Glocke nehmen und wie immer, über die Vergangenheit nachdenken. Ich höre jetzt auf viele Namen.

Welcher Geist herrscht in dieser tristen Berghütte?

Ein greller Blitz erhellt den Himmel, gefolgt von Donner. Jedes einzelne Haar an meinem Körper sträubte sich. Man hörte Holz splittern. Es lief mir kalt den Rücken herunter. Automatisch beschleunigte ich meinen Schritt. Ich schüttelte mich vor Unbehagen. Die Szene, die sich mir bot, als ich die Hütte erreichte war unbeschreiblich. Eine gewaltige Rauchwolke verätzte meine Nase und versengte mein Fell.

In Panik rannte ich in die Hütte. Die Hitze war wie glühende Kohlen. Aber ich wusste, dass ich meine Glocken aus den Flammen retten musste. Sie waren der Beweis, dass die Mädchen gelebt hatten und das Einzige, was mir ein Zuhause gab. Ich nahm die sieben Glocken und wollte entkommen, aber der Eingang der Hütte stand schon in Flammen..

Ich sprang durch ein kaputtes Fenster und fühlte mich, als ob ich bei lebendigem Leib verbrannte. Überall um mich herum gab es nur Zerstörung. Gleich vor dem Fenster fiel die Klippe steil ab. Ich sprang nach vorne und bereitete mich darauf vor, einzutauchen. Während der ganzen Zeit hielt ich die sieben Glocken fest in meinem Maul.

Das Trommeln der Regentropfen weckte mich aus meiner Bewusstlosigkeit. Ich konnte den brennenden Wald riechen, aber der Regen fiel jetzt stärker als zuvor. Ich war jedoch alles andere als sicher. Dicht am Boden kauernd, hatte ich in den Beinen schon fast kein Gefühl mehr. Ich fragte den Himmel, ob das meine Strafe war. Hatte ich das verdient, weil ich das Glück der Mädchen, auf schamlose Weise zu meinem eigenen gemacht hatte?

"...!"

Durch die aschehaltige Luft hörte ich meinen Namen.
Nein, nicht meinen Namen. Und doch ...
"ria! Maria!"
Ja, der, der mich rief, war kein anderer als mein Geliebter.
"Maria, halte durch! Du darfst nicht sterben!"
Oh, ja! Meine Liebe! Meine wahre Liebe!
"** Gib nicht auf", flüsterte ich verzweifelt.
Bitte verzage nicht!
...Lebe!
Wenn er mich verlieren würde, würde er seine teure Marie nie wieder sehen.

Aber das ging nicht nur ihm so:

Anri, Fleur, Silvie, GLotte, Bisque, Chris ...
Sie alle waren so kostbar gewesen.
"**Bitte töte mich nicht!", rief ich.
Bitte töte nicht die, die du liebst.

Zitternd reichte ich ihm die sieben Glocken.
"**Nimm du sie an meiner Stelle, wenn du willst.."
Nimm all diesen liebenden Familien nur nicht die Hoffnung.

Er schaute mich so an, als ob er etwas sagenwollte.

Dann nahm er die Glocken, drehte sich um und rannte davon. Seine Gestalt wurde kleiner und kleiner und verschwand ganz im Regen. Ich wollte seinen Namen rufen, brachte aber keinen Ton heraus. Hätte ich sprechen können, hätte ich vielleicht einen Fehler gemacht.
Ich dachte daran, wie der kalte Regen meine Seele mit dem Feuer auslöschen würde und an die letzte Person, die mich als Familie betrachtete. Zwar war ich nicht diejenige, die sie liebten, aber ich liebte ohne Zweifel ihre warmen, fürsorglichen Hände.
Und ich hatte gelogen und die Toten entweiht - alles nur aus Rache.

Und doch lag ich hier und weinte.

Hier, am Rande des Todes ,

war ich den Mädchen so nahe und konnte endlich aufrichtig um sie weinen.  
Du weißt sicher, wie das ist.
Du musst es wissen, ja?
Alles, was du wilst, ist ... leben.

Der Regen wusch den Berg grau und entzog allen das Licht. Ich war umhüllt von Dunkelheit und Nässe. Dann hörte ich entfernt das Klingeln einer Glocke. Meine Ohren schienen noch zu funktionieren. Ich richtete meine Sinne auf den Ursprung des Läutens. Dann konnte ich hinter dem Klingeln Schritte und Stimmen vernehmen.
"Komm, Anri!"
Ich dachte, ich höre Dinge. Es konnte sich nur um eine Erinnerung eingeschlossen in einer Glocke handeln. Nach allem.. Niemand würde nach mir rufen.
"Fleur!"
"Silvie!"
Das konnte nicht sein! Meine Augenlieder zuckten.
Warum ...?
Durch die fallende Asche konnte ich Gestalten erblicken. Sie umkreisten mich.
Der kleine Junge, der Meister, die Barfrau ...
"Lotte!"
"Bisque!"
"Chris..!"
Nein, die Kinder und der Lehrer ... Der Meisterdichter und sogar die alte Dame!
Nein! Ich wollte schreien, konnt es aber nicht.
Nein, seht mich nicht an!
Ihr seht nur Lügen!
Bitte hasst mich nicht!

Nie war ich die Mädchen, die euch so am Herzen lagen!
"Das wussten wir schon", kam die Antwort von dem einen, der mithilfe der sieben Glocken alle versammelt hatte. Du schmiegtest dich an mich, als du mich in ein warmes Handtuch eingewickelt hast und ließt die sieben Glocken fallen.
"Wir wussten es, die ganze Zeit."
Er war den Tränen nahe, als er mich auf die Wange küsste.
"Die, die wir lieben, sind nicht die Geister der Vergangenheit."
Mit diesen Worten vergab er mir.
"Du hast diese Lügen erfunden, um uns zu helfen. Niemand sonst hätte uns so ein gutes Gefühl geben können. Und all das dank dir und deinen sieben Glocken."

Mir strömten die Tränen und ich schloss die Augen.

Mein Leben war doch nur eine Lüge nach der anderen.

Aber das hatte jetzt ein Ende. Endlich verstand ich..
Mein Name wird die 

siebenfarrbige Glocke sein.
Ein Name, den mir liebende Freunde und Familie gegeben haben.

Ich bin Glocke.
Mit meinen sieben Farben war ich die geliebteste Person in der Stadt.
Ich heiße Glocke.
Und in der ganzen Welt war ich die glücklichste Katze mit sieben Namen!  

 

 

 

 

 

Ende.


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Kommentare: 2
  • #1

    Paradox (Sonntag, 30 Oktober 2011 12:28)

    ...wow...ich habe gänsehaut und tränen in den Augen! was für eine wunderschöne traurige...und seltsame geschichte! negatives das gutes hervorbringt und alle halten es aufrecht nur um der realität nicht ins auge zu blicken...dramatisch und sehr weltbezogen! woher hast du die? muss sie mir wohl noch mehrmals durchlesen um sie komplett zu verstehn...danke das du die schreie meiner seele etwas erstickst und mich abschweifen lässt aus der kalten verregneten grauen welt die wir realität nennen! ich bin froh am kaminfeuer deiner sprache mich wärmen zu dürfen, am flauschigen teppich zu sitzen und das wohlige gefühl zu verspüren kurz vor dem einnicken zu sein während deine worte mir den weg ins traumland ebnen! danke!

  • #2

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